Internationale Woche gegen Antiziganismus
AUSSTELLUNG
Der Weg der Sinti und Roma 1.6.2018
Ausstellung im Wiesbadener Stadtmuseum
Blick in die Ausstellung „Der Weg der Sinti und Roma“ im Wiesbadener Stadtmuseum.
Von Volker Milch · Foto: Marcel Lorenz
WIESBADEN – Jeder kennt Carmen. Die Figur aus Prosper Mérimées Novelle, die Georges Bizet in seinem Meisterwerk zur popularsten Frau der Oper gemacht hat, gilt als Inkarnation einer wilden, freien „Zigeunerin“, die ihr Liebesleben nicht von sozialen Normen zügeln lässt – und auf Männer eine ziemlich ungesunde Wirkung hat. Ihr begegnet man nun, neben der schönen Esmeralda aus Victor Hugos „Glöckner von Notre Dame“ im Stadtmuseum am Markt, im „Sam“. Dort macht bis zum 24. Juni die Wanderausstellung „Der Weg der Sinti und Roma“ Station. 37 Schautafeln, erläutert Kurator Udo Engbring-Romang bei seiner Eröffnungsfuhrung, die den Weg der Minderheit nach Europa zeigen sollen – und jene „Bilder, die dazu geführt haben, dass sie an den Rand gedrängt wurden“. Vorurteile, die einen Volkermord möglich machen Zu den rassistischen Klischees und Vorurteilen, „die einen Völkermord moglich machen können“, gehören letztlich auch die fatalen Frauenfiguren oder die pittoreske Romantik in Nikolaus Lenaus Gedicht „Die drei Zigeuner“. Dieses Trio soll zeigen, wie es in einem Vers heißt, wie man das Leben „verraucht, verschlaft, vergeigt“. Solche „plakativen Bilder“ halten sich hartnackig bis in die Gegenwart. Der Antiziganismus- Experte Engbring-Romang, Marburger Historiker, Politologe und Autor der Ausstellung, verweist bei der Fuhrung auf ihr Fortleben etwa in „Tatort“-Folgen. Die Roma-Frau, die im Fernsehen als Trickdiebin auftaucht, hat eine Vorgängerin auf einem altmeisterlichen Gemalde, das auf einer der Tafeln der mobilen Schau abgebildet wird. Die Ausstellung des hessischen Landesverbands der Sinti und Roma im „Sam“ eroffnet Wiesbadens erste „Kulturwochen gegen Antiziganismus“. Der Anlass ist die Erinnerung an die Deportation von 119 Wiesbadener Sinti vor 75 Jahren in das Vernichtungslager Auschwitz- Birkenau. Rinaldo Strauß, stellvertretender Geschaftsfuhrer des Landesverbands, hat am 8. Marz, dem Jahrestag der Deportation, am Mahnmal in der Bahnhofstraße ein „würdiges Gedenken“ erlebt und ist nun froh, wie er im Stadtmuseum sagt, „dass wir es gemeinsam mit der Stadtgesellschaft geschafft haben, ein so umfangreiches und interessantes Programm auf die Beine zu stellen“. Der „Höhepunkt“ der Reihe soll, wie berichtet, am 19. Juni im Staatstheater die Auffuhrung von Roger Moreno-Rathgebs „Requiem für Auschwitz“ sein. „Diese Veranstaltungen sind dafür da“, so Strauß, „um an das Schicksal unserer Menschen zu erinnern“. Sie sollen aber auch deutlich machen, „dass Ausgrenzung zu Diskriminierung, Diskriminierung zu Verfolgung und Verfolgung zu Mord, ja bis zum Völkermord führen kann. Man hat unsere Menschen seit ihrer Ankunft in Deutschland vor 600 Jahren immer wieder zu Zigeunern gemacht.“ Dies sei auch durch Vertreibung und Verweigerung von Ansiedlung geschehen. Von den deutschen Sinti, so Strauß, habe nur ein Drittel die Todesmaschinerie des Nationalsozialismus überlebt. In der Nachkriegszeit seien die Überlebenden dann wieder massiver Ausgrenzung ausgesetzt gewesen. Solche unheilvollen Kontinuitäten werden in der Ausstellung eindrucksvoll belegt, während sich die Darstellung der Nazizeit und des (erst 1982 anerkannten) Volkermords auf vier Tafeln beschränkt. Ausgrenzung, so Rinaldo Strauß, präge auch noch die Gegenwart: „Jahrhundertealte Vorurteilsstrukturen“ hätten sich „wie ein kultureller Code“ festgesetzt. Vorurteilsstrukturen könnten nur mit Wissensvermittlung aufgebrochen werden, betont Strauß. Dieses Wissen solle, wie Stadtmuseum-Direktorin Sabine Philipp in ihrer Begrüßung erläutert, in Zusammenarbeit mit der Jugendinitiative „Spiegelbild“, „Demokratie leben“ und anderen Akteuren vor allem auch Wiesbadener Schülerinnen und Schülern vermittelt werden. Das könnte dazu beitragen, dass sich ändert, was Udo Engbring-Romang während der Führung beklagt: „Sinti und Roma haben sehr wenige Sympathisanten.“ Der Kulturwochen-Eröffnung und ihrer musikalischen Umrahmung (mit dem Gitarristen Christiano Gitano) wurde, wie der Applaus im Stadtmuseum zeigte, schon mal sehr viel Sympathie entgegengebracht.