Griechische Arbeitsmigration in Wiesbaden
IKF e.V.,  Maike Wöhler, Christos Manztios

Die Ausstellung, mit Schwerpunkt der Zuwanderung und Arbeitsmigration griechischer sogenannter „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“ der 1960er Jahre in Wiesbaden, zeigt im Rahmen der Ausstellung (auf der Basis angewandter Feldforschung und Oral History) nicht nur Beispiele „gelungener“ Integrationen auf. Es werden im besonderen ganz persönliche Geschichten über das Weggehen, das Zurücklassen der „Heimat“ und über den Prozess des „Ankommens und Bleibens“ anschaulich dokumentiert. In einer „Willkommensgesellschaft“ ist es wichtig, die vielfältigen Integrationsleistungen der Zugewanderten zu würdigen und ihnen eine gesellschaftliche Plattform zu geben. Es soll eine Sichtbarmachung diverser Identitäten und Kulturpraktiken erfolgen mit dem Ziel, Diskriminierungen entgegenzuwirken. Ferner sollen auch Handlungsstrategien für die derzeitige und künftige Integrationsarbeit entwickelt werden.

Die Ausstellung wird in Wiesbaden stattfinden.

Zielgruppen sind Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Familien, Senior*innen, Tourist*innen, Individual- oder Gruppenbesucher*innen – Einheimische, Mehrheimische.

Hier gehts zum Link der Ausstellung

http://www.demokratie-leben-in-wiesbaden.de/wp-content/uploads/2021/07/Programmheft-Stadtarchiv.pdf


„Man ist nur so lange fremd, bis man sich kennt“

Griechische Arbeitsmigration in Wiesbaden im 20. Jahrhundert

Wichtig ist den beiden Ausstellungsmacher*innen, der Kulturwissenschaftlerin Maike Wöhler und dem Politologen, Christos Mantzios – ohne Majoritätsperspektive -, den Blick auf das Heute zu schärfen, die Diversität und die kosmopolitische Pluralität der Zuwanderung aufzuzeigen.

Auf der Grundlage eines Forschungsprojekt der Kuratorin Wöhler wurden griechische Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter der 1. Stunde nach bestimmten Integrationsparametern wie beispielsweise zur „Beruflichen Integration“ – „Arbeit und Leben“ – „Kultureller Identität“ – befragt, die sich aus den vorangegangenen und (noch andauernden) Integrations- und Migrationsprozessen zusammensetzten.

Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausstellung „Man ist nur so lange fremd, bis man sich kennt“, die mit Förderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ realisiert werden konnte.

Aus der Geschichte können wir lernen und erfahren, wie Integration gelingen kann.

So wird der Frage nachgegangen, was die Parameter ihrer Integration waren: was waren die Hintergründe dafür, dass die eingewanderten Griechinnen und Griechen zu den „Integrationsgewinnern“ in Deutschland zählten und immer noch zählen.

Migration ist als dynamischer, aktiver Prozess zu verstehen. Die Menschen bzw. das Handeln der Akteur*innen beeinflussen die Vielfalt des kulturellen Wandels und das Entstehen neuer hybrider Formen.

Nicht ohne Grund wird dieses Projekt im Rahmen einer deutsch-griechischen Gemeinschaftsarbeit durchgeführt, um auch durch diese gemeinsame Kooperation ein gesellschaftliches Zeichen zu setzen.

Ein Zeichen gegen zunehmende Diskriminierung und nichtdemokratische Tendenzen in einem Land, in dem schon lange diverse kulturelle Identitäten in Deutschland dazugehören und diese Vielfalt eine Bereicherung für beide Seiten darstellt.

„Es ist die Haltung, die darüber entscheidet, wie wir Migration sehen.
Die eigene nationale Sicht macht aus den Menschen, die zuwandern, die ‚Anderen‘. Sie sind zuerst Fremde, die es zu verstehen, eventuell abzuwehren oder gar zu kontrollieren, zu fördern und letztendlich zu integrieren gilt.“

(Dimi Mouras, griechischer Interviewpartner)

Integration (verläuft in Phasen und Migrations-Prozessen und) ist gekoppelt an gesellschaftliche und soziale Teilhabe

Die Interviews der befragten Griechinnen und Griechen ergaben, dass die gesellschaftliche Integration nicht an eine komplette Assimilation in die Aufnahmegesellschaft und einer Aufgabe kultureller und nationaler Identität geknüpft ist, sondern vielmehr an individuelle Chancen auf gesellschaftliche und soziale Teilhabe.

Ausschlaggebend für eine erfolgreiche soziale Integration sind gute Bildungschancen und kulturelle Ressourcen, die als Aufstiegs- und Verbleibe-Orientierung dienten.

„Irgendwann gehörten wir dazu“

Werden die integrativen Bemühungen der Aufnahmegesellschaft und die Integrations-Offerten sichtbar und aktiv umgesetzt, geht das Gefühl der persönlichen Ausgrenzung, der Differenz zurück. „Irgendwann gehörten wir dazu“, so Michael S., „in den Jahren in Wiesbaden erlebte ich einen  respektvollen Umgang und ein Aufeinander zugehen von beiden Seiten, deutsch und griechisch“.

Das Resümee der Befragungen ergab genau dies: ohne ein respektvolles Aufeinander zugehen und eine Akzeptanz der Regeln, Normen, Gesetze und auch der Kultur Deutschlands wird es nur ein Nebenher geben. Ein „Nebenher“ von mehreren nationalen Parallelgesellschaften.

Die gesellschaftliche Migrationsrealität wird aber mehr und mehr geprägt durch Mehrfach-zugehörigkeiten, also Lebensformen und Selbstverständnissen, die sich einer national-kulturellen eindeutigen Zuordnung entziehen.

Heute sind die „Gastarbeiter*innen“ von damals vielfach Einwanderer*innen mit Migrationshintergrund und leben in der zweiten und dritten Generation in Deutschland. Die „neuen Deutschen“ erleben mittlerweile Integration im Sinne von Teilhabe ohne Aufgabe des Eigenen.

Nach wie vor ist festzuhalten, dass der Prozess der Integration bzw. das „Ankommen“ und das „(Ver-) Bleiben“ so komplex ist, wie die ethnischen Gruppen, mit denen wir gemeinsam leben.

Wöhler & Mantzios, August 2021

Presse:
https://www.graktuell.gr/articles/politik-wirtschaft/1964-griechische-arbeitsmigration-in-deutschland-ein-interview

Photocredit © Stadtarchiv Wiesbaden